Entstehung

sunset Patterns

Text

Judith Fegerls Solar-Moderne
am Parkhaus

Ein Text von Philippe Batka

Judith Fegerl, self, 2010, Kunstraum Niederoesterreich Foto: Bruno Klomfar
Judith Fegerl, habaine si natena se pai tanimena, 2023, Museumsquartier Wien Fotos: Alexander Eugen Koller

Energie, speziell elektrischer Strom, ist ein wiederkehrendes Thema in den Arbeiten von Judith Fegerl, die dadurch in größere Erzählstränge eingebunden werden, angefangen vom Energiehaushalt des Menschen (revers, 2010) über die Kenntlichmachung der Infrastrukturen zur Energieversorgung (in Self, 2010) bis hin zu dem latenten, in beinahe allen Werken auftauchenden Verweis auf das Verhältnis von Mensch und Natur.

Die Photovoltaik nimmt dabei einen besonderen Stellenwert ein. Sie speiste bereits Fegerls Installation im Kunstraum Dornbirn, die Solarpaneele auf vierzig Quadratmetern zeigte, und wurde zuletzt in habaï ne sï natena, se paï tanïmena [Geben wir der Natur zurück, was sie uns gegeben hat] (2023) eingesetzt, einer Skulptur im öffentlichen Raum des Wiener MuseumsQuartiers, die untertags Energie tankt, um einen Teil davon nachts in Form von rosafarbenem Licht zum Pflanzenwachstum abzugeben. Dadurch wird die Fläche unter den Solarpaneelen, die Fegerl hoch über den Köpfen des Publikums auf spinnenartigen Beinen installierte, zu einer Zone des Verweilens im Nachtleben der Stadt.

Foto Günter Richard Wett

Auch am neu errichteten Parkhaus im sogenannten „Quartier Mitte“ in der niederösterreichischen Landeshauptstadt St. Pölten sind Solarpaneele der Künstlerin zu sehen, die zu sunset patterns gehören – ein Werk, für das die Künstlerin in einem geladenen Wettbewerb prämiert wurde. Im Unterschied zu vorangegangenen Projekten scheinen sich hier jedoch gleich mehrere Parameter zu verschieben. So ist die Photovoltaik-Technik, die Fegerl an der Fassade des Garagenbaus zeigt, keine echte. Es handelt sich vielmehr um Glaspaneele, die in rechteckige Aluminiumrahmen gefasst und keramisch mit Grafiken bedruckt wurden. Sie sind Solarpaneelen unterschiedlicher Generationen und Bauarten nachempfunden, die sie stark vergrößert wiedergeben. Diese Täuschung des Auges gelingt nur, weil der Gegenstand, den wir zu erkennen glauben, bereits tief in unserem kulturellen Gedächtnis verankert ist – und das nicht nur in einer einzigen verbindlichen Form, sondern in vielen. Auf dem Parkhaus sehen wir tiefschwarze bis dunkelblaue Flächen, eingefasst von Rechtecken. Einmal werden sie von kristallinen, lebhaften Reflexen innerhalb blauer Schattierungen durchzogen und durch schmale Stege, die die Fläche rastern, strukturiert. Ein andermal ist das Paneel in dutzende kreisrunde Formen unterteilt, wieder ein anderes Mal in Rechtecke mit abgerundeten Ecken. All diese durch die historische Entwicklung der Technologie bedingten Varianten der Form bedeuten für uns verkürzt „Solarenergie“ – und mit diesem Wiedererkennen von Objekten der öffentlichen Infrastruktur, auf privaten Hausdächern oder großflächig verteilt auf Energiefarmen ist es in der Regel auch schon getan.

Dieses Spiel mit dem jüngeren kulturellen Gedächtnis und seinem Bezug zur Energiewende sowie der Präsentation der vorgetäuschten Technologie, in der zahlreiche Assoziationen aus dem Bezugsystem Kunst anklingen, wird allerdings komplexer, wenn man bedenkt, dass der Bau, auf dem Fegerl ihre „Solar-Bilder“ postiert, kein neutraler ist, sondern geradezu ein Symbolort der angestrebten Energiewende. An kaum eine Technologie heftet die Industrie ihre Ambitionen so sehr wie an den Individualverkehr, der sich in dem Parkhaus quasi dreidimensional manifestiert: Rund 500 Pkw-Stellplätze auf 13 Ebenen stehen zum Parken zur Verfügung. Vor kurzem noch Sinnbild von Luftverschmutzung und CO2-Emissionen, gelten sie nunmehr als Leitvehikel einer sauberen elektrifizierten Moderne.

Foto Günter Richard Wett

Dass der Garagenbetrieb selbst durch eine reale Photovoltaikanlage versorgt wird, die aus einer rund 550 Quadratmeter großen Fläche aus 252 einzelnen, am Dach montierten Paneelen gespeist wird, ist unter anderem auch Fegerls Beharrlichkeit zu verdanken: Die Umsetzung ihres künstlerischen Projekts machte sie von der Errichtung einer realen Solarenergieanlage abhängig. Diese augenzwinkernde Doppelung zwischen Fake und echter Anlage unterstreicht in einem nur scheinbaren Widerspruch die Ästhetisierung und Artifizialität von Fegerls Nachbildungen, die den Bau von außen umklammern und ihn gleichsam in Besitz nehmen. Ihre Photovoltaik-Bilder bewegen sich rhythmisch über die gegliederte Fassade, stets den Horizontalen und Vertikalen des Baus folgend, so als ob sie sich aus der Sprache der Architektur heraus entwickeln würden. Von ihrer Funktionalität losgelöst, präsentieren sie sich in ihren ästhetischen Qualitäten, die sich innerhalb des Vokabulars der bildenden Kunst artikulieren. So wie das Solarpaneel zum abstrakten Bild wird, gerät das Parkhaus durch Fegerls Intervention selbst zu einem skulpturalen Volumen, das sich aus seinem funktional angelegten Rahmen befreit und im Licht einer neu gewonnen Ambivalenz funkelt: Das Zeichen der herbeigesehnten Energiewende bietet sich auch einer distanzierten wie ästhetisierten Betrachtung an.

Judith Fegerl, solar series of electric shocks, 2021 Galerie Hubert Winter Fotos Simon Veres

Energie und Strom sind in Judith Fegerls künstlerischer Praxis selbst aktive und formende Kräfte. Durch Sonnenenergie gewonnener Strom sorgte beispielsweise 2021 für Kupferabscheidungen auf eigens präparierten Edelstahlplatten in einem galvanischen Bad. Das Resultat waren Fegerls solar series of electric shocks – Platten, in denen ökologisch gewonnener Strom in eine Form gebracht wird, die wie abstrakte Malerei wirkt. Im Kunstraum Dornbirn (2023) nutzte Fegerl Solarenergie, um massive, an die amerikanische Minimal Art erinnernde Stahlzylinder zusammenzuhalten – eine energieintensive Verbindung, die jedoch fragil bleibt, da sie, sobald nicht genug Sonne vorhanden ist, um die erforderliche Menge für die eingesetzten Elektromagnete bereitzustellen, jäh unterbrochen wird. Energie ist bei Fegerl jedoch nicht darauf beschränkt, einem komplexen Gestaltungswillen zuzuarbeiten und damit Bilder, Skulpturen, Installationen oder Kunst-am-Bau-Vorhaben wie diesem am Parkhaus in St. Pölten zu verwirklichen.

Judith Fegerl ON/, 2023, Kunstraum Dornbirn Fotos Günter Richard Wett

Sie ist auch Teil von funktionalen, meist in sich geschlossenen Energie- und Verwertungskreisläufen, die sowohl ihr Eigenleben sinnlich erfahrbar werden lassen als auch den Kreislauf selbst veranschaulichen. Damit spannen sie die Brücke zu Rahmenerzählungen, in denen wir uns alle wiederfinden, etwa der Erderwärmung und dem von ihr angestoßenen, vor allem in Westeuropa politisch gewünschten Paradigmenwechsel.

Sunset Patterns

Ein Film von Günter Richard Wett

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Judith Fegerl dankt der Jury:
Ernst Beneder, Nele Kaczmarek, Alfred Kellner, Katrina Petter, Christoph Thun-Hohenstein,
Michael Neubauer

sowie Ausführenden und Unterstützer:innen in der Umsetzung von SUNSET PATTERNS:
Axel Anderl, Christina Al-Kiswini, Oliver Alunovic, Philippe Batka, Heinz Eisenbach, Clemens Kopetzky, Manfred Kostal, Wolfgang Lehrner, Marlene Maier, Christian Schindler, Martina Vukits, Günter Richard Wett

Galerie

Judith Fegerls Solar-Moderne am Parkhaus

Energie, speziell elektrischer Strom, ist ein wiederkehrendes Thema in den Arbeiten von Judith Fegerl, die dadurch in größere Erzählstränge eingebunden werden, angefangen vom Energiehaushalt des Menschen (revers, 2010) über die Kenntlichmachung der Infrastrukturen zur Energieversorgung (in Self, 2010) bis hin zu dem latenten, in beinahe allen Werken auftauchenden Verweis auf das Verhältnis von Mensch und Natur. Die Photovoltaik nimmt dabei einen besonderen Stellenwert ein. Sie speiste bereits Fegerls Installation im Kunstraum Dornbirn, die Solarpaneele auf vierzig Quadratmetern zeigte, und wurde zuletzt in habaï ne sï natena, se paï tanïmena [Geben wir der Natur zurück, was sie uns gegeben hat] (2023) eingesetzt, einer Skulptur im öffentlichen Raum des Wiener MuseumsQuartiers, die untertags Energie tankt, um einen Teil davon nachts in Form von rosafarbenem Licht zum Pflanzenwachstum abzugeben. Dadurch wird die Fläche unter den Solarpaneelen, die Fegerl hoch über den Köpfen des Publikums auf spinnenartigen Beinen installierte, zu einer Zone des Verweilens im Nachtleben der Stadt.

DAS PARKHAUS „QUARTIER MITTE“
IN ST. PÖLTEN

Vielfältigkeit und Nähe

Die Nähe zur Wachau verführt zur Weinverkostung oder Marillenernte. Auch das Wandern in den Voralpen oder im Dunkelsteinerwald, die nahen Skigebiete am Annaberg, das Golfen in der nahegelegenen Anlage Goldegg, das Schwimmen an den Badeseen und Besuche im Sport.Zentrum.NÖ gestalten das Wohnen, Leben und Arbeiten hier sehr angenehm.

Vor allem auch die St. Pöltner Märkte am Domplatz, Herrenplatz und am Josefsmarkt bilden eine wundervolle Ergänzung zum Miteinander und laden zum Kauf regionaler Produkte ein.

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